Grillparty
Grillparty in Eichforst. Roman
erschienen März 2025
500 Seiten
ISBN 978-3-96763-322-1 kart. 18 €
ISBN 978-3-96763-323-8 Geb. 27 €
ISBN 978-3-96763-324-5 ePUB 4,90 €
Klappentext
Ein Sommertag, ein Geburtstag, eine Katastrophe:
Auf Wilhelm Herzbergs 50. Geburtstagsfeier prallen Gier, Ignoranz und Gewissen aufeinander. Während ein Waldbrand dunkle Rauchwolken über die Festtafel weht, blühen riskante Geschäfte und heimliche Beziehungen – bis das Chaos eskaliert und Flucht zur einzigen Option wird.
Ein packender Roman über verdrängte Krisen, den Preis des Egoismus und die Kraft der Erkenntnis.
.

Rezensionen
• "Spätestens seit 1972, als der Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" veröffentlichte, war der Klimawandel mit den Folgen bekannt. Inzwischen haben sich 198 Staaten weltweit der Klimadiplomatie verschrieben. Doch die diskreten Maßnahmen sind eher dürftig. Die größten Klimasünder China und die USA sind dem Klimaabkommen nicht beigetreten. Nicht selten wird die Klimaerwärmung geleugnet.
Bei dieser Ausgangslage überrascht es kaum, dass die belletristische Literatur sich bisher kaum des Themas angenommen hat. GRILLPARTY IN EICHFORST ist ein gelungener Versuch, der deutschen Gesellschaft einen schonungslosen Spiegel vorzuhalten.
Es ist spannend und raffiniert erzählt, wie der Bauunternehmer Wilhelm Herzberg beim Versuch, mit einer Finanzmaklerin ein lukratives Geschäft zur Rodung indonesischen Regenwalds einzufädeln, von seiner Tochter Gloria, Klimaaktivistin, durchkreuzt wird, während sich ein Waldbrand an die Grillparty heranfrisst." Norbert Ahrens, 03.06.25, bod
• "Grillparty in Eichforst ... ist die Geschichte eines heißen Sommertages. Fast eine Abbildung der Gesellschaft im Wohlstandskiez: Man erlebt neun Personen wie unter einem Brennglas bei einer Geburtstagsfeier.
Und natürlich möchte man sie kennenlernen und verstehen; ihre Erwartungen, Illusionen, Nöte, Gier, Unsicherheit, Großspurigkeit und Menschlichkeit.
Der Grill, die Zeit und die Feuerwand sind nicht aufzuhalten und konsequent. Der Außenseiter schafft den Weg durch das Feuer mit Hoffnung und Liebe. Es ist ein spannendes Leseerlebnis." Elke Habig, 03.06.25, Thalia
• "Das Drama am Grill. Heinrich von der Haar gelingt es in Grillparty in Eichforst meisterhaft, eine scheinbar harmlose Sommerfeier zu einem intensiven Drama der menschlichen Abgründe zu verwandeln.
Die Ausgangslage könnte nicht banaler erscheinen: Eine Grillparty zum 50. Geburtstag von Wilhelm Herzberg im ländlichen Eichforst. Doch die Idylle trügt, und von der Haar lässt die Atmosphäre schon bald kippen. Was als fröhliche Zusammenkunft beginnt, entwickelt sich schnell zu einem Mikrokosmos der größeren gesellschaftlichen Probleme. Die Figuren sind geprägt von Gier, Ignoranz und einem verdrängten Gewissen, und genau diese Eigenschaften führen zu einem explosiven Mix aus unverarbeiteten Konflikten und unterdrückten Geheimnissen.
Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie von der Haar die verschiedenen Handlungsstränge miteinander verwebt. Die persönlichen Beziehungen zwischen den Gästen, die von Affären und unerfüllten Wünschen geprägt sind, stehen im scharfen Kontrast zu den bedrohlichen Entwicklungen rund um den Waldbrand, die aufkommende Katastrophe.
Mit einer präzisen und oft scharfsinnigen Sprache zeigt der Autor die dunklen Seiten der menschlichen Natur. Er beleuchtet die Verdrängung von Krisen und den selbstsüchtigen Umgang mit den Folgen des eigenen Handelns. Diese Themen greifen tief in die psychologischen Strukturen der Charaktere ein, die sich, während die Ereignisse ihren Lauf nehmen, mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen auseinandersetzen müssen.
Das Chaos, das schließlich ausbricht, ist unvermeidlich - und doch stellt sich die Frage: Gibt es noch einen Weg zurück? Oder ist die Flucht die einzige Option, die bleibt? Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und sorgt für eine dichte, fast quälende Spannung, die den Leser bis zum Schluss fesselt.
Grillparty in Eichforst ist ein packender, tiefgründiger Roman, der die Abgründe der menschlichen Seele mit einer spannungsgeladenen Erzählweise kombiniert. Heinrich von der Haar gelingt es, die Leser in eine Welt zu entführen, in der die Grenzen zwischen Freund und Feind, Opfer und Täter zunehmend verschwimmen. Ein vielschichtiger und nachdenklich stimmender Roman über die dunklen Seiten der Gesellschaft und die unerbittliche Macht der Selbsttäuschung." Presseinfo, 20.05.25, Kulturmaschinen
• "Verbrannt auf der Grillparty.
Dieser Roman handelt von Menschen, die man nicht liebgewinnen muss – überwiegend ziemlich ekelhafte Typen. Ein Bauunternehmer mit seiner Frau, die ihn mit dem Politikerfreund betrügt, dessen Frau wiederum an einem Krebsleiden und die Folgen ihrer zerstörten Attraktivität verzweifelt. Eine Unternehmertochter, die sich als Ökorebellin mit ihrem Kapitalistenvater anlegt und ständig mit dem Handy zu Gange ist, um heimlich die schmutzigsten Szenen dieser Oberschicht zu filmen und im Internet brühwarm ihrer Fangemeinde auf Instagram zur Schau zu stellen. So viel Power sie für den Kampf ums Klima aufbringt, so intensiv flirtet sie auch mit zwei jungen Männern. Der eine ist der verwöhnte Sohn des Politikers, der andere ist dann der Favorit in diesem Techtelmechtel, eigentlich ein unattraktiver Looser, der als Außenseiter in dieser Gesellschaft gerade nur geduldet wird, weil er als Nachbarjunge nun mal auch dazu gehört. Ein Schulabbrecher, Pizzaausfahrer, Vorbestrafter und dazu noch mit dem Migrationshintergrund seiner toten Mutter zunächst ein hoffnungsloser Fall, der aber letztlich mit seinen praktischen Fähigkeiten noch zum Helden in dem Roman wird. Sein deutscher Vater, ein leitender Angestellter, der sich den Arsch aufreißt, um von der Oberschicht anerkannt zu werden, beißt sich die Zähne an der Arroganz der Angeber aus. Dann sind da noch eine Schulleiterin, die sich mit frommen Bibelsprüchen lächerlich macht und ihre kleine Tochter, die mit ihrem Hund herumwuselt. Ein älterer abgeklärter Mann gibt ab und zu seine Lebensweisheiten von sich, die allenfalls belächelt werden und niemand hören will. Schließlich ist da noch ein Star in dieser Gesellschaft, eine alte Schulfreundin des Bauunternehmers, die als Finanzgröße durch die Welt reist und im Kapitalismus mit großem Geld jongliert. Also eine Gruppe von Leuten zwischen selbstbewussten Erfolgsmenschen aber auch Leuten, die mit sich und ihrer sozialen Rolle nicht so recht im Klaren sind.
Dieses Personal wird im Roman durch Dialoge, Selbstreflexionen und Beschreibungen des Erzählers in ein Geschehen während einer Grillparty gezeigt, die der Bauunternehmer mit großem Aufwand zu seinem fünfzigsten Geburtstag veranstaltet. Der kulinarische Höhepunkt ist ein Lamm, dessen Biofleisch vom Gastgeber eigenhändig gewürzt und stundenlang auf einem Hightech-Grillgerät gedreht wird, bis die Fleischstücke endlich in die Münder gestopft werden können.
Der Roman führt diese Gesellschaft regelrecht vor, in ihrer Selbstzufriedenheit aber auch Ängsten, ihren Unverschämtheiten und Angebereien, ihrer Aggressivität und Hilflosigkeit. Dieses Psychodrama erstreckt sich über vierundzwanzig Stunden, in Kapiteln mit Stundenangaben und fokussiert auf die Perspektive jeweils einer Person. So ergibt sich eine Brechung der subjektiven Perspektiven bei gleichzeitiger Anwesenheit an einem festen Ort – der Party in der Villa des Bauunternehmers. Das hat eine eigene Spannung, weil so deutlich wird, wie jeder gegen jeden agiert. Es ist wie der Blick in ein Rattennest, in dem es rau bis tödlich zugeht.
Nun ist da schon starke Destruktion in den sozialen Beziehungen am Werk, doch damit nicht genug, zu der inneren Zersetzung unter Menschen kommt noch die Gewalt der Natur von außen. Denn der Ort der Villensiedlung dieses Ortes Eichforst ist durch einen nahen Waldbrand, der sich auf die Häuser zubewegt, zunehmend bedroht. Die Zeichen des nahenden Feuers sind wie ein gefährlicher Unterton, der den Roman unheimlich grundiert. Aber man hofft auf Wetterumschwung und Regen, fühlt sich sicher durch technischen Feuerschutz und zuletzt kommt es dann doch zur Katastrophe. Die psychologische Studie wechselt in eine apokalyptische Erzählung und zerfällt in chaotische Szenarien.
Das ist spannend zu lesen und radikal trostlos. Heinrich von der Haar bleibt seinem Stil wie in allen seinen Romanen treu: Harte Realitäten ohne Schönschreiberei aufzuzeigen. Die Lektüre wird für die Leser eine Konfrontation, die sie allein aushalten müssen. Vom Erzähler dürfen sie nicht erwarten, an die Hand genommen und in eine bessere Welt geführt zu werden." Ewald Schürmann, 12.05.25 amazon
Interview
Interview mit Heinrich von der Haar zu: »Grillparty in Eichforst«
Frage: Der Titel Ihres Romans Grillparty ist eine gelungene Metapher für das ignorante Geschehen und den graduellen Anstieg der Gefahr durch das Feuer, auch wenn die Leser:innen beim Titel zunächst an eine harmlose Party denken könnten. Glauben Sie, dass den Leser:innen nach der Lektüre die Lust am Grillen, dem deutschen Nationalvergnügen, vergehen wird?
HvdH: Nein, (lacht) sicher nicht. Eher wird der Titel als ein kritischer Kommentar im Hinterkopf bleiben, wie leicht man in einer gemütlichen Situation die Realität ignorieren kann. Er könnte in der Frage, wie nachhaltig und verantwortungsvoll unser Konsum und unser Verhalten tatsächlich sind, zum Umdenken führen. Vielleicht wird der nächste Grillabend für einige mit einem Nachdenken über die reale „Hitze“ oder die metaphorische „Gefahr“ des Klimawandels verbunden sein und interessante Gesprächs darüber anregen.
Frage: Ihr Roman ist erzähltechnisch höchst interessant. Jedes Kapitel wird aus einer anderen Perspektive geschrieben, aus insgesamt neun verschiedenen Blickwinkeln. Was hat Sie zu diesem Experiment veranlasst? Und sind dabei Probleme aufgetaucht?
HvdH: Es hat mich gereizt, die unterschiedlichen Perspektiven der Menschen in Krisenzeiten einzufangen. Jeder Mensch erlebt dieselbe Realität auf seine eigene Weise, interpretiert sie durch seine Erfahrungen, Ängste und Motive. Dieselbe Szene – je nachdem, aus wessen Blickwinkel sie erzählt wird – transportiert deshalb unterschiedliche Bedeutungen und Emotionen.
Der Hintergrund meines neuen Romans sind die vielfältigen Krisen unserer Zeit: die Finanzkrise, die Klimakrise, Coronapandemie und die zunehmende gesellschaftliche Spaltung. Diese Entwicklungen haben mich zutiefst beunruhigt. Ich musste dem Schrecken in die Augen sehen und mich schreibend damit auseinandersetzen, warum wir so oft wegsehen – selbst dann, wenn das Unheil unübersehbar auf uns zukommt.
Natürlich fordert dieses erzähltechnische Experiment heraus. Nötig waren eine präzise Figurenzeichnung und eine detaillierte dramaturgische Planung, um sicherzustellen, dass jede Perspektive eine authentische Stimme erhält und sich die verschiedenen Sichtweisen möglichst ohne Wiederholungen zu einem vielschichtigen Gesamtbild fügen. Doch gerade diese Vielstimmigkeit ermöglichte mir, die Komplexität unserer Zeit literarisch zu erfassen.
Frage: War es Ihr Ziel, alle gesellschaftlichen Facetten darzustellen? Gibt es Berufe, Denkweisen oder Weltanschauungen, die Sie nicht berücksichtigen konnten?
HvdH: Ich wollte die Vielfalt der Perspektiven und die Komplexität menschlichen Verhaltens in Bezug auf die Klimakrise widerspiegeln: Reiche und Privilegierte im Glauben, dass Geld sie vor den Konsequenzen des Klimawandels schützt. Junge Aktivisten, die sich der Bedrohung bewusst sind und mit einer Mischung aus Idealismus und Verzweiflung versuchen, etwas zu ändern. Ältere, die die Krise vielleicht eher als »Hype« abtun oder sich überfordert sehen, etwas zu verändern. Menschen leugnen oder verdrängen Krisen, sei es aus wirtschaftlichen Interessen, Bequemlichkeit, Egoismus, Dummheit usw. Während einige Figuren die Krise als weit entfernt und übertrieben betrachten, leben andere in einem Zustand permanenter Alarmbereitschaft. Jeder reagiert anders, ist er doch durch unterschiedliche soziale, wirtschaftliche und kulturelle Bedingungen geprägt.
Aber ein Roman kann nicht alle Perspektiven berücksichtigen. Ich habe die Klimakrise aus einer eher westlichen Perspektive betrachtet und u. a. den Einfluss von Wohlstand und sozialer Ungleichheit gezeigt, während die Perspektiven der globalen Armen und Indigenen oder die der ländlichen Bevölkerung oder der Wissenschaft kaum ausgeführt werden. In meinem Roman konzentrieren sich die Konflikte stark auf städtische und soziale Strukturen, um ein gewisses Maß an Fokus und Dichte beizubehalten.
Frage: Alle Figuren haben negative und positive Seiten, vielleicht mit Ausnahme des Politikers. Trifft die Politik besondere Kritik?
HvdH: Die Politik trägt eine besondere Verantwortung, denn politische Entscheidungen haben weitreichende Konsequenzen für das Leben und die Zukunft unseres Planeten. Besonders kritisch sehe ich das Ignorieren oder Infragestellen wissenschaftlicher Erkenntnisse, um politische Vorteile zu sichern. Statt zukunftsorientierter Maßnahmen werden Wähler:innen oft mit Versprechungen beruhigt, während notwendige Reformen aufgeschoben oder verwässert werden – wie wir das gerade im Bereich Klimapolitik unter dem Druck mächtiger Interessengruppen – etwa der fossilen Industrien – erleben.
Frage: Gibt es für Sie Lieblingsfiguren? Mit welchen Figuren können sich Ihre Leser wohl am besten identifizieren?
HvdH: Grundsätzlich sollen alle Figuren auf ihre Weise überzeugen. Besonders dürfte die jugendliche Gloria vielen Leser:innen nahegehen. Sie begreift, dass unser fragiles Ökosystem in Gefahr ist und ein Kollaps droht. Ihre Entschlossenheit und ihr Engagement spiegeln den Mut und die Weitsicht vieler junger Menschen wider, die nicht wegsehen, sondern aktiv werden. Ich bin Optimist und vertraue auf die junge Generation – sie ist oft wacher und weniger blind oder resigniert als die Elterngeneration.
Ähnlich verhält es sich mit Murat, einem weiteren jungen Protagonisten, der sich leidenschaftlich für soziale Gerechtigkeit einsetzt.
Der Feuerwehrmann Tom steht anfangs noch vor inneren Konflikten. Er zögert und hadert, bevor er dann doch den Mut aufbringt, der Realität ins Auge zu blicken.
Frage: Streben Sie mit dem Roman eine erzieherische Funktion an?
HvdH: Ich will nicht mit erhobenem Zeigefinger belehren, sondern durch die Erzählung ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Klimaproblems schaffen. Was treibt Menschen an, Warnsignale zu ignorieren? Welche Rolle spielen Bequemlichkeit, wirtschaftliche Interessen oder Angst vor Veränderung? Wie gehen wir als Gesellschaft mit langfristigen Bedrohungen um? Indem der Roman die fatalen Konsequenzen von Ignoranz und Untätigkeit aufzeigt, kann er vielleicht Leser:innen dazu anregen, über ihre eigene Verantwortung nachzudenken und sie möglicherweise motivieren, aktiver zu werden.
Frage: Welche Leserschaft, welche Zielgruppe wollen Sie mit Ihrem Roman erreichen?
HvdH: Mein Roman kann Leser:innen ansprechen, die sich für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen interessieren, ebenso wie jene, die die Spannung eines Katastrophenromans schätzen. Umweltbewusste könnten sich in ihrer Haltung bestärkt fühlen und vielleicht zu weiterem Engagement motiviert werden.
Gleichzeitig kann der Roman für kritische und politisch interessierte Leser:innen als gesellschaftliche oder politische Analyse gelesen werden, während engagierte junge Menschen ihn als Bestätigung ihrer Anliegen begreifen könnten. Auch Fans von dystopischen Romanen oder spekulativer Fiktion könnten sich angesprochen fühlen, da die Geschichte eine spannende, aber erschreckend realitätsnahe Zukunftsvision entwirft.
Darüber hinaus hoffe ich, auch Menschen zu erreichen, die sich bislang nicht aktiv mit der Klimakrise auseinandergesetzt haben. Indem der Roman die Dramatik und die Konsequenzen von Untätigkeit greifbar macht, kann er einen emotionalen Zugang schaffen, der über rein sachliche Argumente hinausgeht. Vielleicht lassen sich sogar Skeptiker:innen zum Nachdenken anregen – denn oft bewirkt eine erzählerische, emotionale Annäherung mehr als ein belehrender Ton.
Frage: Ihr Roman spielt an einem einzigen Tag, im gleichen Raum und auch die Handlung dreht sich um eine zentrale Frage: Hat das Geld Macht über unser Leben? Diese Einheit von Ort, Zeit und Handlung entspricht den Vorgaben für die griechische Tragödie. War das Ihre Absicht?
HvdH: Ja, die Struktur verstärkt die Dramatik und die emotionale Wucht der Geschichte. Die Katastrophe rückt näher, und die enge Zeitspanne zwingt die Figuren, sich in kurzer Zeit mit ihrer eigenen Lage auseinanderzusetzen.
Dass die Handlung sich auf einen einzigen Raum beschränkt, unterstreicht die Hilflosigkeit der Figuren. Sie sind buchstäblich und metaphorisch gefangen – in einem luxuriösen Haus, das eigentlich Sicherheit bieten sollte. Der feste Ort verstärkt das Gefühl der Unausweichlichkeit. Die drohende Katastrophe zwingt sie dazu, ihre bisherigen Überzeugungen in der Frage: Hat Geld Macht über ihre Leben, zu hinterfragen.
Frage: Warum halten Figuren trotz näher rückender Katastrophe bei der Grillparty aus?
HvdH: Einige glauben, dass Vermögen sie retten kann und unterschätzen die Gefahr. Manche verdrängen die Realität und denken: »Es kommt schon nicht so schlimm.« Oder wollen nicht der Erste sein, der Panik zeigt. Manche vertrauen blind auf die Technik oder möchten sich die schöne Feier nicht verderben lassen.
Frage: Kurz vor dem Erscheinen Ihres Romans gab es das große Feuer in Los Angeles. Wie stehen Sie zur Macht der Naturgewalten über die Menschheit? Von der herannahenden Katastrophe sind in Ihrem Roman auch völlig unschuldige Figuren betroffen. Wie haben Sie als Autor diese Entscheidung getroffen?
HvdH: Wohlhabende haben oft bessere Möglichkeiten zu entkommen. Im Leben gibt es keine »gerechte« Katastrophe – Feuer, Stürme oder Überschwemmungen unterscheiden nicht zwischen Schuldigen und Unschuldigen oder zwischen Arm und Reich. Warum sollte eine Naturgewalt fair sein, wenn die Gesellschaft es nicht ist? Oft trifft es jene am härtesten, die am wenigsten Verantwortung für die Ursachen tragen: Kinder, ältere Menschen oder sozial Benachteiligte mit geringeren Fluchtmöglichkeiten.
Diese Ungerechtigkeit verstärkt die gesellschaftskritische Dimension der Geschichte. Der Tod Unschuldiger macht die Dramatik der Ereignisse spürbar und konfrontiert die Leser:innen mit der Realität: Krisen sind nicht nur eine Naturgewalt, sondern auch das Ergebnis politischer und gesellschaftlicher Versäumnisse. Indem die Geschichte emotional berührt, kann sie zum Nachdenken anregen und vielleicht sogar dazu motivieren, Verantwortung zu übernehmen, bevor es zu spät ist.
Frage: Es gibt in Ihrem Roman drei Vertreter der jungen Generation. Stellen Sie damit auch ein Generationenproblem dar? Welche Rolle spielen dabei die Social Media?
HvdH: Im Kontrast zu den älteren Figuren, die sich stärker in Ignoranz oder Fatalismus flüchten, stehen die Vertreter der jungen Generation. Sie erleben die Katastrophe anders – sind oft besser informiert, aber auch frustrierter, weil sie sehen, wie wenig gegen die Krise unternommen wird, und weil sie nicht ernst genommen werden.
Social Media kann jungen Leuten helfen, sich zu informieren und andere aufzurütteln, kann aber auch benutzt werden, um z. B. berühmt werden zu wollen.
Frage: In den ersten Kapiteln der Perspektivfiguren spielt sich teilweise das Geschehen in den Gedanken der Figuren ab. Gibt es einen Grund für diese erzählerische Entscheidung?
HvdH: Ja, besonders beim ersten Auftritt der Figuren ermöglicht diese Erzählweise, ihren Hintergrund mitzuerzählen. Die Katastrophe ist nicht nur ein äußeres Ereignis, sondern auch ein psychologischer Prozess. Angst, Verdrängung, Schuldgefühle oder Fatalismus – all diese Emotionen und moralischen Konflikte entfalten sich vor allem im Inneren der Figuren. Durch ihre Gedanken lassen sich diese intensiver und nuancierter darstellen. Das innere Drama kann spannender sein als äußere Flucht-Szenen.
Zudem zeichnet sich die Krise durch langsames, schleichendes Versagen aus. Einige Figuren sitzen da, grübeln, verdrängen oder rechtfertigen ihre Untätigkeit. Das Feststecken in Gedanken symbolisiert die Passivität vieler Menschen und zeigt, dass die Katastrophe bereits im Kopf beginnt. Der Roman spielt mit der Idee, dass die wahre Katastrophe die menschliche Reaktion auf die Krise ist.
Frage: Der letzte Teil des Romans, in dem die Katastrophe näher rückt, ist besonders spannend geschrieben. Die Gedanken treten in den Hintergrund. Ist das eine Metapher und wenn ja wofür?
HvdH: Wenn die Katastrophe unmittelbar bevorsteht, bleibt keine Zeit mehr für Reflexion. Nur noch das Überleben zählt. Die Figuren müssen endlich handeln, anstatt nur zu reden. Das Verschwinden der Gedanken könnte symbolisieren, dass Rationalität und Argumente nicht mehr helfen, wenn man zu lange untätig bleibt. Angst, Panik und Instinkte übernehmen.
20.04.2025


