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Detlev Gerdes, Rezension lovelybooks

Quelle: Detlev Gerdes, Rezension lovelybooks, 28.09.21

 

Der Autor entführt in seinem Roman den unbedarften Leser in die vermeintlich glitzernde und sinnliche Welt des Tangotanzens, dessen vornehmliche Aufgabe darin zu bestehen scheint, die Tangotänzer für wenige Minuten aus der realen Existenz zu entzaubern und zur heilen Welt des Tanzens zu führen: ins Illusionsuniversum. Ein kurzlebiger Moment, flüchtiger als Gas, der einen kurzen Augenblick sehnsuchtsvollen Verlangens Wünsche und utopische Fantasien bedient. Dieses verklärte, romantische Grundthema wird sehr anschaulich mit dem olympischen Siegergedanken verknüpft: nur der beste Tänzer, der seinen Platz bisweilen hart erkämpft hat oder alternativ der reichste, potenteste Akteur bleibt in Erinnerung bzw. hat Erfolg in dieser leistungsorientierten Tangowelt: die aufgeplusterten Gockel, stilistisch ausgeklügelt in ihrem extrovertierten Erscheinungsbild, suchen sich die am schönsten zurechtgemachten Frauen aus: wie an einer Perlenkette aneinandergereiht und voller begehrlicher Erwartung. Insbesondere das ältere Semester ist damit von vornherein abgeschrieben und wird nur noch von tapsigen Anfängern überboten - obwohl in dem Roman auch diesem Momentum Raum zum Schmunzeln gegeben wird. Doch schlussendlich obsiegt in diesem Roman die einfache, greifbare Liebe zu realen Personen, die sich nicht außerhalb des Universums wähnen und bisweilen von ihren ganz konkreten Sorgen und Nöten eingeholt werden.

 

Als bekennender Tangotänzer mit viel Tanzerfahrung beschreibt der Autor sehr detailliert, welche gemeinsamen Bewegungsabläufe notwendig sind, um zu bestimmten Gefühlsregungen zu gelangen und welche Tanzhaltung dazu notwendig ist, um das Gefühl der kompletten Innigkeit zu erlangen. Das Ganze wird mit entsprechenden Textpassagen aus der Tangomusik treffend untermauert und kann als Aufforderung verstanden werden, sich mit dem vielschichtigen Tangotanzen auseinanderzusetzen.